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Es ist wohl nicht weit hergezogen, zu behaupten, der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hätte einen Einfluss auf jeden Einzelnen von uns. Leere Städte, kollabierende Wirtschaftszweige, dramatische Szenen in Krankenhäusern auf der ganzen Welt, aber auch wachsende Solidarität, milliardenschwere Hilfspakte und rührende Spendenaktionen sind die Folge. Mittlerweile ist es über zwei Monate her, dass die Schulen geschlossen wurden. Kaum jemand hätte sich so eine lange Zeit der Isolation vorstellen können. Der Mensch ist eben ein soziales Lebewesen. Freundschaften sind abgekühlt, Urlaube abgesagt worden und sogar Kleinunternehmen werden von der Insolvenz bedroht.
Natürlich ist so etwas schrecklich. Wir alle müssen unseren Alltag im großen Stil einschränken. Da ist es natürlich ein menschliches Bestreben, einen Schuldigen zu finden. Dieses Phänomen lässt sich auch in den Medien wahrnehmen. Ob BILD-Zeitung oder Trump-Rede, China scheint in aller Hinsicht zum Sündenbock zu werden. Also, was sollten wir tun? Milliarden Euro einfordern? Den Präsidenten stürzen? Oder vielleicht einfach mit gebündelter Macht einen globalen Krieg anzetteln? China gegen den Rest der Welt?
Ach, wenn doch alles so einfach wäre! Leider gibt es in der realen Welt selten scharfe Grenzen zwischen Gut und Böse. Wir dürfen nicht vergessen, dass China immerhin der erste kommunistische Staat ist, der weder wirtschaftlich und politisch zusammengebrochen ist, noch seine Bürger einmauert, um sie vor dem „bösen Westen“ zu schützen. Es gibt kaum Staaten, die wirtschaftlich nicht von China abhängen. Bevor wir über China herziehen, wäre es hilfreich, sich erst einmal klarzumachen, was für Probleme es in unseren westlichen Ländern gibt: Fremdenfeindlichkeit, Rechtsruck der Politik oder der Wikileaks-Skandal sind schließlich auch nicht das Nonplusultra!
Und selbst wenn wir meinen, mit uns im Reinen zu sein – was bringt dann das „China-Blaming“? Unterstützt es nicht nur die oben genannten Punkte? Sorgt es nicht langfristig für eine Veränderung entgegen den Werten unseres Grundgesetzes? „Alle Menschen sind gleich – bis auf Chinesen?“ Ist das wirklich unser Ziel? Sollten wir nicht vorher unsere gesamte Energie in die Bekämpfung der Pandemie investieren? Auch wenn die chinesische Regierung Fehler gemacht hat, was nützt es uns jetzt, sie anzukreiden?
Bevor wie alle unseren Zeigefinger in Richtung Osten wenden, sollten wir uns selbst erst mal eine kritische Frage stellen: „Wie oft sind wir im letzten Jahr zu exotischen Orten geflogen?“ Wer auch immer infiziert nach Europa geflogen ist, es hätten genauso gut wir sein können! Die Ausbreitung des Coronavirus liegt doch nicht an China, vielmehr ist es unsere Globalisierung, die wir schuldig sprechen können.
Und dann? Sollen wir nach der Krise aufhören, das Netz um unseren Globus immer enger zu ziehen? Sollen wir alle unsere Grenzen geschlossen lassen und vollständig auf Homeschooling umstellen? Ist es uns das wirklich wert? Vielmehr sollten wir uns glücklich schätzen, wenn wir gesund im Homeoffice sitzen. Diese Krise schränkt uns alle ein. Doch anstatt nach Schuldigen zu suchen, sollten wir lieber grenzübergreifend zusammenarbeiten, um in die Normalität zurückzufinden.
Simon (9. Jahrgang)