Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage – kein kurzer Titel. Wie verstehen Sie Ihre AG und deren Ziele?
Frau Behrendt: Ja, da ist ja die Vorgabe auch vom Netzwerk gegeben, so viel Spielraum haben wir dann gar nicht unbedingt. Natürlich wollen wir gegen Diskriminierung jeder Art vorgehen, ob es nun Rassismus ist, Antisemitismus oder alles andere. Das ist schonmal unsere Herzensangelegenheit.
Frau Colberg-Dingeldein: Genau. Es geht uns ja auch darum, hier ein gutes Schulklima zu schaffen und tatsächlich für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrkräfte und für alle, die hier an Schule beteiligt sind, ein Klima zu transportieren, wo jeder sich gerne aufhält und wo man eben dann auch gut miteinander lernen kann. Aber ich glaube ein anderes Ziel ist es natürlich auch das nach außen zu tragen, dass die Theodor-Mommsen-Schule sich ganz klar positioniert gegen Rassismus und gegen jegliche Form von Diskriminierung. Das ist zumindest auch mein Anliegen.
Hat schon einmal jemand von Ihnen oder euch einprägsame Erfahrungen mit Rassismus oder anderen Formen chauvinistischen Gedankenguts gemacht?
Nare Mistou (Jahrgang 9): Ich habe ja einen Migrationshintergrund und das sieht man auch. Demnach habe ich schon öfter Situationen gehabt, wo ich wirklich mit Rassismus zu kämpfen hatte, gerade an meiner alten Schule oder auch im Alltag, dass Leute einen ansprechen und sagen „Was machst du hier, geh zurück in dein Land“, das passiert schonmal und es kommt auch öfter vor, dass man sich manchmal anders fühlt oder anders betitelt wird. Auch an der Schule kommt es manchmal vor, dass die Mitschüler irgendwas sagen, was einen dann wirklich traurig macht, aber das hat dann halt bei einem selbst zur Folge, dass man diese Person nicht mehr so sieht wie vorher. Bei mir war es einmal so: Ein Klassenkamerad hat etwas Gemeines zu mir gesagt, wegen meiner Hautfarbe, und seitdem ist er extrem nett zu mir, aber irgendwie ist er für mich nicht mehr so, wie er vorher war.
Würdest du auch sagen, dass diese persönlichen Erfahrungen ein Grund sind, warum du hier bist und dich hier engagierst?
Nare Mistou: Schon teils. Diese Erfahrungen sind manchmal… also ich bin ein Mensch, ich kann das aushalten, aber ich kann mir vorstellen, dass es für viele sehr schwierig ist, weil einige können auch in so ein Loch verfallen „Wieso bin ich anders, wieso kommen meine Eltern jetzt beispielsweise aus einem anderen Land?“, und gerade um solche Schülerinnen und Schüler an der Schule zu unterstützen finde ich es gut, dass es so eine AG gibt. Jeder reagiert da anders drauf und die, die vielleicht etwas schwächer sind, die kann man ein bisschen unterstützen dabei, dass sie halt wissen, dass es nicht so schlimm ist und das man sich akzeptieren sollte, so wie man ist. Das macht Courage ja auch aus, dass alle vielfältig sind und nicht jeder gleich.
Haben Sie eine konkretere Vorstellung von „Courage“ im AG-Namen?
Frau Colberg-Dingeldein: Also, ich glaube, es geht einfach darum, sich zu positionieren, dass man einfach ganz klar sagt, das ist jetzt okay und das hier ist jetzt nicht mehr okay. Es ist ja schon das, was wir beide auch erleben im Geschichtsunterricht immer wieder oder auch in anderen Unterrichtssituationen, wenn Schülerinnen und Schüler Dinge äußern, die vielleicht gar nicht mal bewusst Grenzen überschreiten, aber dass man da tatsächlich dann auch ganz klar Position bezieht und hier dann eben auch Bewusstsein schafft, was diskriminierend ist und was nicht.
Frau Behrendt: Und dass man notfalls eben auch den unbequemen Weg geht, um gegen Rassismus anzukämpfen, dass man eben einfach Mut zeigt.
Frau Colberg-Dingeldein: Vielfach ist es ja einfacher, das zu überhören oder eben auch das kleinzureden, ich glaube diesen Weg sollten wir nicht gehen.
Werden Sie ausschließlich schulintern wirken, oder können Sie sich auch Projekte im größeren Rahmen vorstellen?
Frau Behrendt: Ja, also eigentlich geht das ja aus von uns als Schule, aber vielleicht werden ja einige Projekte auch mal den Rahmen ein bisschen sprengen, das wäre gar nicht so schlecht, weil wir eigentlich ja schon viel mehr auch vorhaben.
Frau Colberg-Dingeldein: Aber grundsätzlich wäre es natürlich toll, wenn wir das erstmal hier an der Schule überhaupt etablieren können. Wenn ich jetzt sehe, dass ich hier nur mit zwei Schülern sitze, dann ist es natürlich so, dass man sagen muss, naja, das ist ja hier keine kleine Schule, es wäre schon wünschenswert, wenn man noch ein bisschen mehr Leute für diese AG begeistern könnte und das tatsächlich dann auch einfach als Idee und als Ziel etabliert. Ich glaube, da sind wir noch ganz am Anfang.
Inwiefern ist Ihre AG von der Pandemie betroffen?
Frau Behrendt: Also, wenn wir vielleicht auch so einen Abend ganz groß mal aufziehen wollen würden, dann wäre das ja schon betroffen. Da könnten wir gleich sagen, nein, das geht momentan nicht.
Frau Colberg-Dingeldein: Oder eingeschränkt zumindest.
Frau Behrendt: Sehr eingeschränkt, das wäre dann auch nicht so schön, wenn da nur wenig Leute sitzen könnten. Ansonsten eigentlich momentan noch nicht, es sei denn, wir wollen ja auch irgendwann mal nach Berlin eine Exkursion machen, das wäre momentan auch alles ein bisschen schwierig. Insofern sind wir doch ein bisschen betroffen.
In Ihrem Titel wird Rassismus besonders betont. Ist das der grundlegende Fokus oder können Sie sich auch Projekte zu anderer Diskriminierung vorstellen? (Misogynie, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie etc.)
Frau Colberg-Dingeldein: Also grundsätzlich vorstellen kann ich mir das auf jeden Fall. Ich glaube, es kommt ein bisschen darauf an, was hier an der Schule auch Thema ist. Vielleicht machen wir ja auch mal eine Umfrage, was überhaupt Themen sind, und dass wir da einfach dran arbeiten.
Frau Behrendt: Ja, dass wir so einen Fragebogen entwerfen. Das wäre schon mal interessant, da ein Meinungsbild zu bekommen.
Vielen Dank für das Interview!
Simon (Q1-Jahrgang)